Wo der Wind weht - Über den TET durch Dänemark mit der DR350

February 9th 2024 | #Deutsch #Motorcycle #Report

The beach of Romo with a motorcycle Dieser Reisebericht erschien in der Monatszeitung Megaphon der Kuhlen Wampe, Ausgabe 1/2023.

Dänemark ist vor allem flach und nicht bekannt für kurvenreiche oder spannende Motorradstrecken. Selbst der Trans European Trail, der eine Enduroroute durch das Land vorschlägt, warnt, dass mehr als ein Drittel der Strecke nicht auf unbefestigten Wegen verläuft, was ja der Hauptgrund ist eine Endurotour überhaupt anzutreten. Doch Dänemark war das am schnellsten erreichbare Ziel in begrenzter Zeit, also ging ich das Wagnis ein. Die Quittung: ein vom Auspuff angeschmorrter Seitendeckel und Gepäck sowie eine kaputte Kette und keine einzige Passstraße. Trotzdem bin ich froh, eine Motorradreise durch Dänemark unternommen zu haben.

Das Gefährt der Wahl: Eine Suzuki DR 350 SHC, Baujahr 1992. Erst wenige Monate zuvor wechselte sie in mein Besitz und eröffnete mir gleichzeitig das Offroadfahren als neue Spielwiese. Also beladen mit zwei 15-Liter Gepäcktaschen und einer Gepäckrolle für den Schlafsack und gut über 2000 km in 9 Tagen - eigentlich relativ bequem - anvisiert. Los geht es in einer nicht weiter relevanten ostdeutschen Großstadt.

Schwerin ist Ziel des ersten Tages, um dort auf den deutschen TET den Weg nach Norden - Endurostyle - zu beginnen. Gleich zu Beginn das erste technische Problem. Die DR, ausschließlich mit einem Kickstarter versehen, springt zwar brav nach ein oder zwei Tritten immer an, doch der improvisierte Gepäckabstandshalter verschwindet klammheimlich auf einer der ersten ostdeutschen Feldwege. Wenige Kilometer später wird das bemerkbar: Die Seitenverkleidung verflüssigt sich, die Gepäcktasche beginnt zu schmelzen. Zum Glück lässt sich das Schlamassel abkühlen und zur nächsten Werkstatt bringen, die nur eine Stunde später in einem kleinen Dorf zufällig auftaucht (laut Karte wäre die nächste weiter gewesen). Vor dem Laden steht eine bunte Mischung an Motorrädern, aber auch einige ältere Enduros und tatsächlich die beiden anwesenden Mechaniker helfen sofort und basteln eine stabilere Lösung, die zumindest die geplante Reise aushalten müsste. Eine Bezahlung lehnen sie dafür konsequent ab und schicken mich nach ein paar Tipps zum Enduroreisen weiter. Am Abend in Schwerin - nachdem noch mal das Gepäck und seine Nähe zum Auspuff kontrolliert ist - die Belohnung: das Schloss Schwerin. Es ist eindrucksvolles Gebäude auf einer Insel mitten im See und erstrahlt im renovierten Glanz, den in der DDR war es weitestgehend dem Verfall preisgegeben worden. Heute ist dort der Landtag untergebracht, mangels touristischer Öffnung bleibt es also beim Spaziergang durch den Schlosspark am Seeufer.

Einigermaßen mit dem bisherigen Pech versöhnt geht es ab Schwerin auf dem deutschen TET weiter. Schnell wechselt die Route auf Feldwege mit nur wenigen Teerabschnitten zwischen drin. Herausfordernd wird es jedoch nicht, die schlammigen Stellen sind ausreichend trocken, dass es zügig in der Abendsonne weitergeht. Noch etwas südlich von Lübeck verbringe ich die Nacht und verzichte darauf, das Zelt aufzustellen - was sich rächt, den mitten in der Nacht zieht ein kurzer Regenschauer vorbei.

Etwas verstochen und relativ unausgeschlafen treibt mich frühmorgens die aufgehende Sonne weiter. Im rot leuchtenden Morgengrauen führt der TET über alte Pflasterstraßen und schlecht gepflegten Feldwegen durch kleine Dörfer, in denen die Häuser und Höfe Schilfdächer haben. In Lübeck gibt es dann ein Frühstück am Hafenufer, auf dem vererbten MSR-Benzinkocher zubereitet. Der Vorteil an Benzinkocher und altem Motorrad: Die kleine Benzinflasche lässt sich leicht mit dem Motorradtank füllen, dank zugänglicher Benzinleitung mit Abstellhahn. Doch bald muss es weitergehen, noch einige Kilometer des deutschen TET liegen zwischen Lübeck und der Fehrmanninsel und damit dem Übergang nach Dänemark, der als Etappenziel auserkoren ist.

Nördlich von Lübeck ist der TET wieder Straßenlastig, doch desto weiter nach Norden er führt, desto mehr Feldwege bringen Abwechslung. Meine Hoffnung, dass es bei nur '''einer''' technischen Panne bleibt, wird jedoch schnell zerschlagen. Bei einer Pause bemerke ich, dass die Kette viel zu weit durchhängt. Zum Nachspannen fehlt mir leider das nötige Werkzeug, aber die nächste Werkstatt ist laut Karte nur 40km weiter. Also ist vorsichtig weiterfahren angesagt, was schwerfällt. Den der TET schwenkt auf eine lange, fließende unbefestigte Route durch Hügel und Wälder, die zum rasanten Vorwärtstreiben einladen. Trotz Sorge um die Kette wird klar: Genau wegen solchen Wegen wollte ich den TET fahren!

Die Werkstatt kommt schneller als befürchtet und der Feldweg führt bis 10 Meter vor die Garage. Eine Stunde vor Feierabend (es ist Samstag Mittag) laufe ich rein und finde wieder einen freundlichen Mechaniker, der innerhalb kürzester Zeit die Kette wechselt. Natürlich war sie nicht unzureichend gespannt, sondern gänzlich verschlissen. Erst beim Bezahlen merke ich, das die Werkstatt eigentlich auf der anderen Seite den Eingang hat, wo eine viel befahrene Bundesstraße vorbeiführt. Etwas erleichtert, aber mit einer empfindlichen Delle im Urlaubsbudget geht es weiter. Außerdem nun gefasst, der feste Entschluss: Vor einer Reise muss immer die Zeit da sein, die DR ordentlich auf Vordermann zu bringen.

Wenig später und immer mehr auf Teer kommt schon die Brücke auf die Fehrmanninsel, auf der ich kurz ans Meer fahre, bevor die nächste Fähre nach Dänemark sowohl Fahrer und Motorrad in wenigen Minuten aus der BRD heraus und auf die Insel Lolland bringt.

Der erste Teil des TET in Dänemark führt direkt von der Fähre bis Kopenhagen. Leider - das war aber auch vermerkt - besteht dieser Teil fast ausschließlich aus Teerstraßen. Genau 3 kurze Feldwege sind zwischen Anlegestelle in Lolland und der Stadt Roskilde auf Sjælland im Norden. Trotzdem ist es eine schöne Fahrt, denn es geht über das weite Land an Dörfern und Höfen vorbei und immer wieder an der Küste entlang. In kürzester Zeit wechselt die Route von Lolland nach Falster über, wo die Strandnähe der Strecke sich mit einem schönen Gratiszeltplatz mit Meersicht bezahlt macht. Der nun permanent wehende Wind erfordert allerdings doch ein Zelt. Von Falster nach Møn bringt einem am nächsten Morgen eine kleine und alte Fähre (mit 8€ auch die billigste Fähre der ganzen Reise), die ein einzigartigen musikalischen Klang im Motorraum bietet. Auf Møn führt eine kurze Schotterrunde zu den 120 Meter hohen Møns Klint, dessen weiße Klippen den östlichsten Punkt der Reise markieren und die bis dato meisten Höhenmeter mit sich bringen.

Von dort geht es also nach Norden und etwas westlich weiter, eine Brücke über eine Meeresenge bringt die kleine DR samt Fahrer nach Sjælland. Die Nacht vor Roskilde im Norden der Insel verbringe ich dann zum ersten mal in einen der vielen kostenlosen Shelter in Dänemark - kleine Plätze mit einer handvoll windgeschützer Schlafplätze in dreiwändigen Holzverschlägen. Diese sind - so die bescheidene Erfahrung am Ende der Reise - fast immer mit einem Kompostklo und Trinkwasser ausgestattet. Ab dieser Nacht bleibt das Zelt also im Gepäck, die Shelter reichen um dem Wind zu entfliehen. Der Wind. Er weht tag ein, tag aus. Stetig aus Nordwesten, ohne Unterlass.

Auf diesen östlichen Teil des dänischen TET fahr ich nur bis Roskilde, um dort die alte und historisch bedeutende ehemalige Hauptstadt Dänemarks anzuschauen und das Vikingeskibsmuseet (Wikingerschiffsmuseum) zu besichtigen, bevor ich von der Route abweiche und bis an den nordwestlichsten Zipfel der Insel fahre um am Abend noch mit der Fähre dort nach Jütland überzusetzen. Durch Jütland führt der westliche Teil des dänischen TET wieder nach Süden. Die Fähre bringt mich nach Aarhus, in den letzten Abendstunden fahre ich entsprechend nach Norden in den Mols Bjerge Nationalpark wo ich wieder auf den TET stoße. Am Abend des vierten Tages finde ich dort endlich wieder Feldwege durch den Wald und ein Übernachtungsplatz mitten in den rollenden Hügeln des Nationalparks.

Erst der nächste morgen zeigt jedoch die volle Schönheit der Gegend, den in einer großen Schleife geht es durch den gesamten Nationalpark mit abwechselnden Hügelkuppen die eine funkelnde Sicht auf das Meer ermöglichen und in bewaldete Täler hinein. In fast alle Richtungen glitzert die windgepeitschte See, auch rund um eine Burg, die auf einer Insel in einer Bucht als Ruine emporragt. Eine kleine Landzunge führt hin zur Kalø Slotsruin, jedoch muss leider abgestiegen werden und der alte Dammweg zu Fuss bewältigt werden. Es ist die einzige wirklich mittelalterlich anmutende Ruine der Reise - die meisten alten Burgen sind bis in die Neuzeit hinein zu Prunkresidenzen ausgebaut worden und von noch älteren Befestigungen sind lediglich überwachsene Erdhügel übrig.

Es folgt ganz im Gegensatz du den Inseln Dänemarks nun ein richtiger Schottertag. Ganz offizielle aber unbefestigte Strassen führen durch Jütland stetig nach Süden über leicht rollende Hügel und an vielen Bauernhöfen vorbei. Obwohl es Schotterwege sind, geht es schnell voran. Kaum ein Schlagloch überrascht beim fahren, und die Wege sind breit und gerade. Die Qualität der Wege zeigt, das eine Strasse nicht geteert sein muss um ein schnelles vorwärtskommen zu ermöglichen. So passieren bewirtschaftete Felder und die Reste einer alten Dampfeisenbahn in wenigen Stunden. Bis schließlich nebst Grabhügeln auch der Runenstein des Königs Blauzahn (nach dem das in jeden Motorradintercom verwendete Bluetooth benannt ist) zum Zwischenhalt einlädt bevor es weiter geht über bewirtschaftete Felder und durch sanfte grüne Täler mit kleinen Flüssen.

In Velje, wo der TET kurz durch den Fjord und die Stadt führt, verweile ich kaum und kletter lieber die wenigen Höhenmeter in einen der höchsten Hügelketten des Landes. Im Abendlicht laufe ich über den Himmelbjerget (147m), wo einst einige Versammlungen der Demokratiebewegung des Landes stattfanden. Ein pompöser Turm erinnert noch heute an die Einführung der demokratischen Verfassung durch den König 1849 - die bis heute die dänische Monarchie stützt. Etwas weiter weg in den Wäldern verbringe ich eine weitere ruhige Nacht in einem Shelter - den ersten den ich mir nicht mit weiteren reisenden Teile.

Dänemark ist an und für sich kein großes Land. Die meisten reisen in einem Tag durch, sehen Kopenhagen oder eine andere Sehenswürdigkeit und sind dann in Schweden oder Norwegen, wo der Urlaub richtig beginnt. Die kleinen unbefestigten Straßen durch kleine Ortschaften und durch verschiedenste Landstriche ermöglichen aber erst Dänemark wirklich in seiner Vielfalt kennen zu lernen. Ganz überraschend findet in einem Kunstpark in dem ich Raste ein Oldtimer-Motorradtreffen statt und in den langsam schwindenden Sonnenstrahlen komme ich zur Randbøl Hede. Eine kahle aber hügelige Grasslandschaft unter deren dünner Humusschicht sich Sanddünen verstecken, die ganz und gar nicht zu der wirtlichen und blühenden Landschaft davor passen will. Als der Abend sich nähert taucht am Horizont langsam die Nordsee auf. Die zunehmende Wassermenge ist das Gegenteil meines Tankinhalts, die letzten Tropfen der Tankreserve reichen nur mit Schütteln und Kippen der Maschine bis zur ersten Tankstelle an der Küste. Der Tank des Fahrers füllt sich dann schließlich auch, beim Sonnenuntergang am Wattmeer im nächsten Shelter.

Der letzte Tag auf dem dänischen TET ist fahrerisch der herausforderndste. Eine nur bei Ebbe befahrbarer Damm führt nach Mandø, der ersten Nordseeinsel der Reise. Von dort führen sandige Pisten entlang der Dammmauer nach Rømø, und bereiten gut auf das Fahren im Sand vor. Den auf Rømø geht es auf den langen - und befahrbaren - Sandstrand der Insel. Die unterschiedliche Festigkeit des Strandes erlaubt viel Fahrspass, trotz offizieller 30km/h Beschränkung. Inklusive Elegante Kurven um Riesendrachen, die im permanenten Wind emporsteigen.

Tanken. Über dieses Vergnügen in Dänemark zwei meines Erachtens wichtige Beobachtungen. Erstens: Es gibt nur E10 Benzin. Zweitens: Tankstellen nehmen fast ausschließlich EC-Karten als Zahlung an (Nur bei Circle K geht auch Bar) und es muss vor dem Tanken noch ein Mindestbetrag auf dem Konto sein, der mit über 100€ weit höher als eine Motorradtankfüllung angesetzt ist. Vorsicht also bevor ihr denkt "ach, damit kann ich noch dreimal Tanken gehen"... sonst geht es euch wie mir und ihr müsst nach Fahrvergnügen auf dem Sandstrand von Rømø auf Reserve den dänischen TET bis nach Deutschland abschließen um dort, kurz nach der Grenze, endlich wieder an Benzin zukommen.

Denn viele schöne, verschlungene und kleine Feldwege von Rømø nach (grob) Süden ist auch das Ende des dänischen TET erreicht. An der Grenze führt der deutsche TET schnell wieder auf mehrheitliche Asphaltstraßen, die immerhin noch zum Dänenwall führen bevor es eher eintönig durch Schleswig-Holstein nach Süden geht. Eine letzte Übernachtung in Deutschland, wo zum zweiten Mal das Zelt ausgepackt wird, später und einige hundert Kilometer mehr - ohne weiteren Werkstattbesuch - bringt die alte DR 350 Gepäck und Fahrer dann sicher zurück in besagte ostdeutsche Stadt wo es los ging. 2398 Kilometer in nur acht Tagen waren es am Ende, aber um der Erinnerung an eine ausführliche Erkundung Dänemarks bereichert.

Das Fazit zu Route und Moped ist zweischneidig: Der dänische TET ist sehr gut gewählt, viele wichtige Sehenswürdigkeiten werden gefühlt zufällig angefahren. Die Route ist so Abwechslungsreich wie Dänemark selber. Herausforderndes Offroad erwartet einen jedoch nicht, weder eine besonders offroadtaugliche Maschine noch viel Können jenseits des Teers sind gefragt. Wer allerdings die Oststrecke nach Norden fährt, und die Weststrecke nach Süden nimmt, bekommt eine stetig zunehmende Progression im Schwierigkeitsgrad - für Anfänger zu empfehlen! Lediglich die Fähren lassen das Urlaubsbudget stark anschwellen, wobei auch Lebensmittel und Benzin in Dänemark teuer sind.

Das Moped, eine DR 350, hat mit 30 PS locker genug Leistung und Top-Speed für Endurowandern dieser Art, kann mit 146 Kilo auch mehrmals am Tag ohne Ermüdung aufgehoben werden und die Bauqualität von 1993 aus Japan ist definitiv hervorragend. Hätte der Fahrer sich auch ordentlich um Gepäckanbringung und Verschleißteile gekümmert, wäre auch kein Werkstattbesuch nötig geworden. Einzig der Öl- und Spritverbrauch ist bei einer Maschine von 1993 natürlich relativ hoch, besonders problematisch da erst die neunte Tankstelle an der ich angehalten habe auch Motoröl für ein Motorrad im Sortiment hatte. Dennoch: Eine DR 350 hat alles was es zum Abenteuer braucht und bietet auch modernen Motorrädern im gleichen Segment immer noch die Stirn. Für plus/minus zwei tausend Euro bekommt man mit einer DR 350 eine taugliche Reiseenduro die einfach nur Spaß macht. Und inzwischen hat sie auch einen ordentlichen Abstandshalter für das Gepäck.


< The Riverside of the Brahmaputra | Zur (Anti-) Politik im Anarchismus >